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Archivbilder des Quartals 2025/1

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Linie 12 ‒ die Hardturm-Linie

Die 1930 eröffnete Strecke zum Hardturm erlebte turbulente Zeiten. Von der Linie 13 zur Linie 4, zwischenzeitlich zur verstümmelten Linie 12 und dann wieder zur Linie 4 bis zum heutigen 17er. 1936 wurde die damalige Linie 12 auf den Stummel Escher-Wyss-Platz‒Hardturm zurückgestutzt. Am 30. März 1964 verkehrte die Linie 12 zum allerletzten Mal und wurde durch die Linie 4 ersetzt. Eine Aufwertung erhielt die Hardturm-Strecke mit der Verlängerung ins Bändli-/Grünauquartier. Mit Inbetriebnahme des Trams Zürich-West gelangte die neue Linie 17 ins Quartier und mit dem Projekt Tram Hardbrücke die Linie 8 zum Hardturm.

Archivbilder des Quartals 2025/1

Hin und her auf kurzer Strecke

Tram Museum Zürich

Die alte Linie 12 war ein Kuriosum. Die meiste Zeit verkehrte sie auf einer Mini-Strecke: 5 Haltestellen, 5 Minuten Fahrzeit. Beim Personal war sie höchst unbeliebt, denn die Dienste ‒ oft 4 Stunden am Stück ‒ waren eine monotone Angelegenheit. Auch bei den
Fahrgästen stiess die Linie mit den alten Rumpelkisten auf wenig Gegenliebe.

Von der Paradelinie zum Stiefkind

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1928 ins Leben gerufen, war der 12er zunächst eine ganz normale Linie. Sie führte vom Klusplatz nach Höngg und erfreute sich eines lebhaften Verkehrs, fuhr in Stosszeiten sogar mit zwei Anhängewagen. ‒ Die 1930 eröffnete Strecke zum Hardturm wurde anfangs durch die Linie 13, dann für ein Jahr durch die Linie 4 bedient. Zur optimalen Ausnutzung des Rollmaterials erfolgte 1934 ein neuerlicher Abtausch der Aussenstrecken, jetzt war es die Linie 12, die zum Hardturm führte. Damit begann der soziale Abstieg: Die beim Publikum beliebten Quersitzwagen wurden durch ältere Längssitzwagen ersetzt.

Opfer von Sparmassnahmen

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Die 1930er-Krisenjahre hatten einen empfindlichen Rückgang der Fahrgastzahlen zur Folge ‒ mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen. Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten fand man, für die Limmatstrasse genügten zwei Linien. Also wurde die Linie 12 im Jahr 1936 auf den Stummel Escher-Wyss-Platz‒Hardturm zurückgestutzt, die Strecke Central‒Klusplatz übernahm die Linie 3. Damit entstand die kürzeste Tramlinie der Stadt: 1,5 Kilometer. Da am Escher-Wyss-Platz keine Wendeschleife vorhanden war, baute man hier eiligst eine Weichenverbindung, so dass die vom Hardturm kommenden Wagen direkt in die Abfahrtshaltestelle einfahren konnten. 

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Im Einzugsgebiet des 12ers gab es ein paar Fabriken, aber mit Ausnahme der bescheidenen Bernoullihäuser keine Wohnsiedlungen. Daher waren die Frequenzen ausserhalb des Berufsverkehrs nur gering. In den Kriegsjahren wurde der Takt in den Zwischenzeiten ausgedünnt; statt 6- galt nun ein 12-Minuten-Intervall, somit genügte in dieser Zeit ein einziger Motorwagen.

Einmannbetrieb

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Der einmännige Betrieb war beim Bus von Anfang an normal, im Schienenverkehr stiess er auf Sicherheitsbedenken. Dabei war er ein probates Mittel zur Kosteneinsparung. Kleinere Strassenbahnbetriebe ‒ z. B. das Doldertram ‒ führten den Modus schon in den 1920er Jahren ein. In den 1930er Jahren folgten grössere Städte wie Biel und Winterthur, die auf Teilstrecken und gewissen Tageszeiten den Einmannbetrieb praktizierten. In Zürich war die Linie 12 die ideale Kandidatin: kurze Strecke, ebenes Terrain, schwache Frequenzen.

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Zuvor musste noch die Bewilligung des Bundesamtes in Bern eingeholt werden, wo man bezüglich der Sicherheit Abklärungen verlangte. Da der Einbau einer Totmann-Einrichtung aus finanziellen Gründen nicht in Frage kam, begnügte sich die Strassenbahndirektion mit einer im Wagen angeschlagenen Wegleitung an die Fahrgäste: Bei Unpässlichkeit des Wagenführers bitte Handbremse im Uhrzeigersinn anziehen! Das schien dem Amt zu genügen und ab 22. Juni 1936 wurde der Plan umgesetzt, versuchsweise und nur ausserhalb der Stosszeiten. Die Wagenführer fassten die komplette Kondukteurausrüstung und besorgten nun auch die Billettkontrolle, das Kupieren und das Inkasso ‒ und das Umlegen des Lyrabügels. Hierzu wurde ein spezieller Turnus geschaffen mit Personal, das in bei-den Sparten ausgebildet war. 4 Mann konnten dadurch eingespart werden.

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Da erst nach erfolgter Abfertigung aller Fahrgäste ab- bzw. weitergefahren werden konnte, führte dies ab einer gewissen Frequenz zu unliebsamen Verzögerungen. Daher kehrten die Kondukteure mehr und mehr auf die Linie 12 zurück. Eine Ausnahme bildete der Spätdienst unter der Woche. Hier hielt sich der Einmannbetrieb hartnäckig bis zum Schluss. Als 1948 das Personal die Mitgabe eines Kondukteurs auch im Spätdienst verlangte, wurde das abgewiesen, denn die durchschnittliche Wagenbesetzung betrug lediglich 4 Personen. 

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Die Ausdehnung des Einmannbetriebes auf andere Tramlinien war zwar angedacht (Linie 2 zwischen Farbhof und Schlieren), doch kam er nur noch einmal zur Anwendung: bei der Sperrung des Alpenquais (heute General-Guisan-Quai) anlässlich des Neubaus der Schanzengrabenbrücke 1938. Während der Bauzeit wurde auf der damaligen Linie 9 ein Pendelbetrieb zwischen Kongresshaus und Bahnhof Enge eingerichtet ‒ auf dem seeseitigen Gleis mit einem einmännig geführten Motorwagen.

Zur Laubegg in den HVZ

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Dann aber, ab 1945 mutierte die Mini-Linie zur grossen Durchmesserlinie: Sie wurde in den Stosszeiten am Morgen und Abend zur Laubegg verlängert ‒ bis 1961 auch in den Mittagsspitzen vor 12 und vor 14 Uhr. Nun mass die Linie 7 Kilometer. Statt 2 waren nun 9 Kurse nötig, 2 (später 4) davon wurden vom Depot Wollishofen gestellt, der Rest vom heimatlichen Depot Hard. Auf dem Weg zum Fuss des Uetlibergs passierte der 12er beim Giesshübel auch den 1960 aufgehobenen Niveauübergang der Sihltalbahn. 

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Die Verlängerung war als Entlastung der Linie 13 gedacht, aber mit den Zweiachserli mit ihren 35 Plätzen hielt sich der Nutzen sehr in Grenzen. Die Verlängerung wurde nicht konstant durchgeführt, auf den seitlichen Routentafeln fand sie nie Erwähnung. Meistens beschränkte sie sich auf den Winterfahrplan und 1952/53 wurde sie vorübergehend durch eine neue Einsatzlinie 23 Höngg‒Laubegg ersetzt. 

Herausforderung Grossandrang

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Bei Wettkämpfen im Hardturm-Stadion mussten die kleinen 12er-Zweiachser regelmässig das Feld frei machen für die Einsatzkurse, die mit bis zu drei An-hängewagen die Zuschauermassen zu- und heim-führten. Am Hardturm war ein Abstellgleis vorhanden, auf dem die E-Wagen den Schlusspfiff abwarten konnten. Während sich die Zuschauerzahl bei den Meisterschaftsspielen in der Regel im unteren vierstelligen Bereich bewegten, vermochten Länderspiele schon mal 25'000 Besucher zu mobilisierten. In Zeiten, als der Motorisierungsgrad in der Bevölkerung noch gering war und noch keine Grossraumwagen im Be-trieb standen, war das eine Herkulesaufgabe. Ein Zahlenbeispiel ist vom 21. Mai 1938 überliefert, als die Schweizer Nati vor 22'000 Zuschauern gegen England antrat (Endergebnis 2:1). Für die Zufuhr kamen ab Hauptbahnhof 31 E-Wagen-Züge zum Einsatz, ausserdem wurde die Linie 13 zum Hardturm umgeleitet. Für den Abtransport wurden bereitgestellt: 9 Zweiwagen-, 33 Dreiwagen- und 14 Vierwagenzüge; zusätzlich aufgebotenes Personal: 56 Wagenführer, 173 Kondukteure. 

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Diese Zeiten sind vorbei. Im Juni 2001 wurde der aus der Zeit gefallene Ausdruck «Sportplatz» aus dem Hal-testellennamen entfernt, so dass er jetzt nur noch «Hardturm» heisst, obwohl der historische Turm aus dem Mittelalter sich 700 Meter stadtwärts befindet. Am 1. September 2007 fand das letzte Spiel im Hard-turm statt (Grasshoppers‒Xamax 1:2). Das baufällige Stadion wurde abgebrochen, bislang scheiterten die Projekte für einen Neubau. 

Eigentlich immer solo

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Ab 1936 bis zum Schluss waren die Zweiachser der Linie 12 praktisch immer solo unterwegs. Anhängewagen waren die Ausnahme. Planmässig gab es sie in den Jahren 1955 bis 1961, allerdings nur im Winterfahrplan und nur in einzelnen Kursen, zuletzt nur noch in zwei Kursen in der 12-Uhr-Spitze. Vierachsige Motor-wagen waren nur ganz ausnahmsweise anzutreffen.

Ersatz durch Linie 4

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Mit der Zeit entstanden in der Hardturmstrasse zusätzliche Arbeitsplätze. Der Stossverkehr konnte mit den alten Zweiachsern nur mit Mühe bewältig werden ‒ trotz 3-Minuten-Takt. Abhilfe war gefragt. Nach Prüfung verschiedener Varianten wurde beschlossen, die grossräumigen «Pedaler»-Züge der Linie 4 zum Hardturm zu leiten. 

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Damit wurde die bisherige Tram-Bedienung der Nordbrücke (Bahnhof Wipkingen) aufgegeben, sehr zum Missfallen der Wipkinger, welche man mit einer verbesserten Busverbindung zum Bahnhofquai zu besänftigen versuchte. Also fuhr ab 4. November 1963 der 4er zum Hardturm, allerdings vorerst nur tagsüber.

Das letzte Stündlein

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Der 12er erhielt noch eine kleine Gnadenfrist. Um dank dem Einmannbetrieb Kosten einzusparen, blieb er für den Spätdienst in Funktion. Das sah so aus: Um 19.50 Uhr fuhr Wagenführerdienst 671 aus dem Depot Hard aus, um 20-mal hin- und herzupendeln und schliesslich um 23.52 Uhr seinen Wagen wieder im Depot zu versorgen. 

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Dies währte nur gerade eine Fahrplanperiode lang. Am 30. März 1964 verkehrte die Linie 12 zum allerletzten Mal. Nun übernahm die Linie 4 auch den Spätdienst. 

Verlängerung Werdhölzli

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Für die längeren Tramzüge mussten nun die Haltestelleninseln verlängert werden. 1970 wurden die Gleise in der Hardturmstrasse in die Seitenlage verschoben, womit das Tram ein eigenes Trassee erhielt. 

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Eine Aufwertung erhielt die Hardturm-Strecke mit der Verlängerung ins Bändli-/Grünauquartier, wohin seit 1959 eine Busverbindung mit der Linie 78 bestand. Doch das ging nicht reibungslos über die Bühne. Genau wie später in Schwamendingen oder Dietikon bekämpfte die ortsansässige Bevölkerung das Tramprojekt vehement ‒ und wurde vom Rest der Stimmbürger überstimmt. Die Verlängerung ging 1976 in Betrieb. 

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Mit Inbetriebnahme des Trams Zürich-West gelangte die neue Linie 17 ins Quartier. Mit dem Projekt Tram Hardbrücke war vorgesehen, die Linie 8 zum Werdhölzli zu führen und die Linie 17 nur noch in den Hauptverkehrszeiten und nur noch bis zum Hardturm zu betreiben. Nun aber gingen die «Bürger aus dem Grünau-Quartier» auf die Barrikaden und forderten die Beibehaltung der einst aufgezwungenen direkten Tramlinie zum Hauptbahnhof. Die Planer fügten sich und so endet der 8er am Hardturm und der 17er fährt weiterhin ins Werdhölzli.

Die Wiederauferstehung

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Über 45 Jahre lang klaffte die Lücke im Linienschema, 2010 wurde sie mit Inbetriebnahme der Glatttalbahn-Strecke Bahnhof Stettbach ‒ Flughafen Fracht geschlossen. Aber der neue 12er  hat  absolut nichts mehr mit dem alten gemein. Das fängt schon bei der Linienfarbe an ‒ statt weisse Zahl auf rotem Grund jetzt Schwarz auf Hellblau. Selbst die Fahrzeugfarbe unterscheidet sich, denn die Cobras verkehren im VBG-Design. Es ist denn auch eine VBG-Linie, die VBZ sind nur Transportbeauftragte. Sie ist überhaupt nicht auf die Stadt ausgerichtet, nur eine einzige Haltestelle liegt ganz auf Stadtgebiet (Auzelg). Dafür darf sich der neue 12er rühmen, am Flughafen direkten Anschluss nach New York oder Dubai herzustellen…