Die vom Baugeschichtlichen Archiv digitalisierte Postkarte zeigt zwei Reiter, Leute im Sonntagsgewand und zwei Tramwagen. Als Fotografen werden Pleyer & Stohl genannt, das Datum ist unbekannt. Dennoch lässt sich das Bild zeitlich eingrenzen: zwischen 1909 (Inbetriebsetzung des 2er-Motorwagens Nr. 179 im Hintergrund) und 1916 (Umstellung auf Bügel-Betrieb; die abgebildeten Wagen besitzen noch die alten Trolley-Stromabnehmer).
Archivbild des Quartals 2023/2
Verlassen aussehender Tramwagen
Rätsel am Kreuzplatz
Irritierend ist der Motorwagen der Linie 3. Einsam steht er mit heruntergezogenen Jalousien und Besetzt-Täfelchen in der Dienstgleisverbindung Forchstrasse‒Klosbachstrasse. Zwar waren zu dieser Zeit einige 3er-Kurse im Depot Burgwies stationiert und einzelne von ihnen benutzten zur Ausfahrt diese Gleisverbindung. Doch danach sieht es nicht aus. Insider wissen, dass auf alten Kreuzplatz-Aufnahmen regelmässig verlassen aussehende Tramwagen in dieser Gleiskurve zu sehen sind. Was hat es damit auf sich?
Eine Zeitungsmeldung des «Tages-Anzeigers» vom 5. April 1913 verspricht Klärung: «Der am Kreuzplatz für Notfälle stationierte Tramwagen ist nunmehr offiziell als <Warteraum> bezeichnet, denn seit mehreren Tagen ist der Wagen mit der grossen Affiche <Warteraum> versehen.» Der Wagen hatte also eine Doppelfunktion: Einsatzwagen auf Pikett und Wartsaal.
1919 erhielt der Kreuzplatz eine richtige Wartehalle. Die Dienstgleisverbindung besteht noch heute, sie wurde während über 20 Jahren sogar fahrplanmässig genutzt. Von 1999 bis zum Fahrplan 2022 fuhr der letzte Kurs der Linie 11 von der Rehalp über die Gleisverbindung zum Römerhof, um via Central ins Depot Hard einzufahren. Grund: Die Tramhaltestelle am Bellevue war am Wochenende durch die Nachtbusse belegt.